Tonnen an Pommes-Kartoffeln für den Müll? Industrielandwirt:innen im Notstand

von | 04. Mai 2020 | Hintergründe | 0 Kommentare

Belgien ruft seine Bürger:innen auf, zwei Mal die Woche Pommes zu essen, um den Überschuss von etwa 750.000 Tonnen Pommes-Kartoffeln vor dem Müll zu bewahren. Landwirt Heinrich Trippen baut Industriekartoffeln an und beliefert eine Holländische Pommes-Fabrik. Er muss indessen mit der Gefahr leben, auf bis zu 1.000 Tonnen Kartoffeln sitzen zu bleiben, was für sein Unternehmen „Kartoffelkult“ das Aus bedeuten würde. 

Heinrich Trippens Familienbetrieb baut nahe Rommerskirchen hauptsächlich Kartoffeln in allerlei Form und Farbe an, insbesondere Pommes-Kartoffeln. Während es in Deutschland nur zwei Pommes-Fabriken zur Verarbeitung gibt, existiert in Belgien und den Niederlanden eine ganze Pommes-Industrie. Von dort aus werden gefrorene Pommes nach ganz Europa und noch viel weiter exportiert. „Ein Großteil der Pommes, die wir in Deutschland essen, kommen aus Holland oder Belgien“, berichtet Trippen, der „Kartoffelkult“ bereits in vierter Generation leitet. Neben einem kleineren Absatz an Gastronomen mit eigener Pommes-Herstellung in Köln und Umgebung liefert auch er hauptsächlich nach Holland. 

Das Geschäft mit der Pommes-Kartoffel zu Zeiten von Covid-19

Aufgrund von Covid-19 und den damit einhergehenden Einbrüchen in der Gastronomie befindet sich der Landwirt nun in der ungewissen Lage, womöglich auf 800 bis 1.000 Tonnen seiner Ware sitzen zu bleiben. Trippen berichtet: „Die Kartoffeln sind alle vertraglich verkauft, aber man kann momentan nicht sagen, ob der Vertrag bei einer Pandemie gültig ist oder nicht.“ Normalerweise gilt, dass die Ware in einem Zeitraum von vier Wochen abtransportiert wird – doch die Fabrik kündigte bereits an, eine Lieferperiode nach hinten schieben zu wollen. Ewig können der Kartoffelbauer und seine wertvolle Ware jedoch nicht warten. Grundsätzlich lassen sich Kartoffeln nach der Ernte im Herbst bis zum Frühjahr des nächsten Jahres lagern. Die speziellen Qualitätsanforderungen an eine Pommes-Kartoffel sind jedoch nochmal höher: „Die Kartoffeln müssen ziemlich exakt auf einer Temperatur gehalten werden, sonst wandelt die Kartoffel die Stärke in Zucker um, und dann hat man nur braune und süße Pommes“, erklärt der Landwirt. 

Kartoffelbauer:innen, Pommes-Fabriken, Pommes-Verkäufer:innen: Alle sitzen im selben Boot

Die Pommes-Fabriken befinden sich derweil in einer nicht weniger misslichen Lage und mussten ihrerseits die Produktion bis auf ein Viertel der normalen Menge herunterschrauben. Was produziert wird, landet aktuell in Kühlhäusern, doch auch diese sind irgendwann voll. „Wir sind stetig im Kontakt mit der Fabrik und die versuchen natürlich alles, aber was sollen die tun, wenn sie nichts verkaufen? Die ganze Situation ist für alle Beteiligten einfach sehr unbefriedigend“, fasst Trippen zusammen. 

In Holland schätzt man den Überschuss an Pommes-Kartoffeln aktuell auf etwa 1 Millionen Tonnen. Dort, wo viele Landwirt:innen und Pommes-Fabriken ansässig sind, steht den betroffenen Landwirten seit kurzem eine finanzielle Entschädigung zu, die zumindest 40 Prozent des durchschnittlichen Marktwerts deckt. Kleinere Verluste seien immer noch besser wegzustecken als große, hält Trippen fest. Er kann mit weiteren betroffenen Industriebauern auf solcherlei Maßnahme hierzulande bisher nur hoffen. 

Seine Vorbereitungen für die Kartoffeln, welche jetzt in der Halle liegen und auf die Verarbeitung warten, begannen bereits vor mehr als zwei Jahren: „Das ist ja im Endeffekt unser ganzer Verdienst für ein Jahr – das Geld, das ich dafür vorfinanziert habe, brauche ich jetzt wieder, und da helfen mir auch 9.000 Euro Soforthilfemaßnahme nicht.“ Auch sein zweites Standbein, der Kartoffel-Verkauf ins Umland, ist seit den Corona-Maßnahmen um 75 Prozent abgesackt, sodass der Betrieb nun um seine Existenz bangen muss. 

Andere Absatzmöglichkeiten

Die zunehmende Trockenheit und Hitze lassen die Erträge schon seit zwei Jahren schlechter als sonst ausfallen. Die Pandemie bringt nun das Fass zum Überlaufen. Zwar könnte der Kartoffelbauer sein Erzeugnis als Futter für Tiere oder an Biogasanlagen verkaufen, doch bringt ihm das nicht mal den finanziellen Erlös, um die kostbare Ware auf den Transport zu schicken. Dafür sei jede Kartoffel einfach zu teuer produziert, erklärt Trippen und ergänzt: „Außerdem haben die ja auch ihre Produktion geplant und der Absatz von Futter oder der Bedarf an Biomasse für Biogasanlagen ist durch Corona nicht wesentlich höher geworden. Die Verbraucher kaufen zurzeit zwar mehr Nudeln, aber leider nicht mehr Kartoffelprodukte als sonst.“ 

Wie Trippen geht es vielen weiteren Industrielandwirt:innen und natürlich auch unzähligen Menschen anderer Berufssparten, die in schwierigste Lebensumstände geraten sind. Lasst uns daher solidarisch handeln, den Betroffenen Gehör in der Politik verschaffen, sie unterstützen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Bei THE GOOD FOOD könnt Ihr gerettete Kartoffeln von “Kartoffelkult” wie üblich gegen “Zahl, was es dir Wert ist” erstehen.

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Foto: Heinrich Trippen/Kartoffelkult, Lebensmittelretterin Merle


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