„Eine andere Art des Wirtschaftens“. Unser „Zahl, was es dir wert ist“-Prinzip

von | 12. Okt 2020 | In eigener Sache | 0 Kommentare

Das „Zahl, was es dir wert ist“-Prinzip ist nicht nur eine Zahlungsmethode, sondern eine wichtige Komponente unseres Tuns. Wie ist das gemeint? Darüber haben wir mit unserer Gründerin Nicole gesprochen, die das Bezahlprinzip erfunden hat. Das folgende Gesprächsprotokoll fasst die wichtigsten Punkte zusammen.

Die Methode regt an, über die Preise von Lebensmitteln nachzudenken

Mir persönlich liegt ganz besonders am Herzen, dass das Prinzip von „Zahl, was es dir Wert ist“ die Menschen dazu bringt, über den Wert und den Preis von Lebensmitteln nachzudenken. Denn bei The Good Food geht es uns sowohl darum, ganz konkret Lebensmittel vor der Tonne zu retten, als auch darum, auf die enorme Lebensmittelverschwendung in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Und damit auch auf die ungeheure Verschwendung von Ressourcen und die übermäßige Belastung der Umwelt – um nur einige zentrale Aspekte zu nennen. 

Es ist wichtig, dass wir uns klarmachen, was uns gute Lebensmittel wert sein sollten. Unser ungewöhnliches Bezahlkonzept zwingt zum Innehalten und Nachdenken. Dabei fällt schnell auf, dass im „normalen“ System, im typischen Supermarkt, etwas nicht richtig läuft. Und es ist ein guter Aufhänger, um mit unseren Kunden in ein Gespräch über diese Themen zu kommen. 

Klar fühlen sich viele dadurch auch verunsichert, aber gerade das Unbequeme daran gefällt mir gut. Erst wenn man beginnt, die alltäglichen Abläufe zu hinterfragen, kann Veränderung stattfinden.

Originalpreis

Zur Orientierung werden bei verpackten Lebensmitteln die Originalpreise angegeben.

Jeder soll sich Nachhaltigkeit leisten können

The Good Food ist kein Elite-Ding. Hier kann jeder hinkommen, auch wenn er wenig Geld hat. Man hört ja oft die Kritik, Nachhaltigkeit müsse man sich erst einmal leisten können. Das geht bei uns: Auch mit wenig Geld kann man gute Lebensmittel einkaufen, oft in Bioqualität, und sie damit gleichzeitig vor der Vernichtung retten. Das Konzept hat also auch eine soziale Komponente.

Ich finde es schön, den Menschen damit auch Vertrauen zu schenken. Klar, das Prinzip wird manchmal leider ausgenutzt, aber die große Mehrheit unserer Kunden ist fair. Manche geben mehr, manche weniger, ganz wie sie können, und das ist völlig in Ordnung. Es wurde sogar einmal im Rahmen einer Masterarbeit nachgewiesen, dass Kunden, die eklatant zu wenig für ihren Einkauf zahlten, die Ausnahme waren. Viele Kunden legen sogar noch etwas drauf, um uns zu unterstützen.

Wenn jemand große Mengen, zum Beispiel einen ganzen Stapel Bio-Schokolade, mitnimmt und dafür nur ein paar Cent geben möchte, sagen wir schon etwas. Denn ein Stapel Schokolade geht klar über den normalen Eigenverbrauch hinaus, und es ist schon unverschämt, so viel für sehr wenig Geld zu nehmen. Umgekehrt sage ich aber auch etwas, wenn jemand viel zu viel gibt. Denn ich möchte ja nicht, dass Kunden hinterher unglücklich sind, weil ihr Einkauf so teuer war.

Man muss allerdings sagen: Auch wenn es sich bei denen, die das Konzept ausnutzen, die vielleicht sogar betrügen, um Einzelfälle handelt, kann ein solches Verhalten für unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter sehr demotivierend sein. Sie investieren Zeit und Energie, weil sie an die Sache glauben, und möchten natürlich nicht die egoistischen Interessen Einzelner unterstützen.

Wir brauchen die Einnahmen, um unsere Standorte betreiben zu können

Wieso nutzen einige wenige unser „Zahl, was es dir Wert ist“-Prinzip schamlos aus? Ich denke, es ist überall so, dass einzelne Menschen das Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird, auch missbrauchen. So ist die Welt, und damit müssen wir wohl leben. Vielleicht haben auch einige unser Konzept falsch verstanden und glauben, wir wären eine karitative Einrichtung wie zum Beispiel die Tafeln. Hier müssen wir aufklären und vermitteln, dass es so nicht ist. Wir bekommen keine Fördermittel und keine Großspenden wie die Tafeln, sondern müssen den gesamten Betrieb selbst finanzieren.

Ganz am Anfang, als wir nur einen kleinen Marktstand vor dem Weltempfänger in Ehrenfeld hatten, kamen wir mit sehr geringen Mitteln aus. Für den Stand mussten wir keine Miete bezahlen, und wir konnten das Auto meiner Tante leihen, um das tolle, nachgeerntete Gemüse vom Lammertzhof in Neuss zu holen. In der Zeit brauchten wir im Prinzip nur Geld für den Sprit. 

Schon damals hätten wir gern deutlich mehr Lebensmittel gerettet, konnten aber die Logistik dafür nicht bezahlen. Deshalb haben wir die Einnahmen vom Marktstand gespart, bis wir uns einen vorübergehenden Standort als Pop-up-Store und schließlich einen eigenen Laden – jetzt sogar noch weitere Standorte – leisten konnten. Wir sind mit unserem Konzept sehr langsam gewachsen, weil immer unklar ist, was am Ende des Monats rauskommt.

Unsere Hauptausgaben sind Miete, Logistik und Gehälter. Was die Logistik angeht, brauchen wir zum Beispiel drei Mal in der Woche einen Transporter, um das auf den sogenannten „Bauerntouren“ gerettete Obst und Gemüse aus dem Umland nach Köln fahren zu können. Wenn uns Hersteller größere Mengen Ware überlassen, deren Mindesthaltbarkeitsdatum sich nähert oder überschritten ist, zahlen wir die Spedition. Außerdem müssen wir das Pfand für die geretteten Getränke vorstrecken, das sind schnell mal vierstellige Beträge.

Wir brauchen also die Einnahmen, und zum Glück nehmen wir trotz aller Schwankungen auch ausreichend ein, um die Ausgaben zu bestreiten. Wir können sogar abfedern, dass jetzt, zu Coronazeiten, zwar sehr viel Ware weggeht, aber unter dem Strich weniger Geld reinkommt – unter anderem wahrscheinlich, weil viele gerade einfach weniger haben. Daran sieht man, dass auch ein kleines Polster da sein muss.

Mindestpreis

Bei den Getränken gelten Mindestpreise — unter anderem, weil wir das vorgestreckte Flaschenpfand wieder einnehmen müssen.

Es geht uns nicht um Gewinnmaximierung

Mit The Good Food haben wir nicht nur eine neue Art des Lebensmittelrettens entwickelt, sondern gleichzeitig eine „andere“ Art des Wirtschaftens. Zwar nehmen wir mit den Waren Geld ein, um die Unkosten decken zu können, doch es geht uns dabei nicht um Gewinnmaximierung. 

Klassische Betriebswirtschaftler können mit diesem Denken nichts anfangen. Zum Beispiel habe ich mit The Good Food mehrmals in Startup-Wettbewerben Businesscoachings gewonnen, und die Coaches haben alle die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, weil unser Geschäftsmodell „überhaupt nicht skalierbar“ ist. Sie konnten absolut nicht verstehen, dass wir nicht darauf aus sind, reich zu werden. 

Für mich dagegen würde sich ein gewinnmaximierender Ansatz völlig unnatürlich anfühlen. Ich finde, unser Konzept ist vielmehr ein gutes Beispiel dafür, dass es auch anders geht.


 

 

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