Zahl, was es dir wert ist: Erfahrungen mit unserer besonderen Zahlmethode

von | 18. Jun 2021 | In eigener Sache | 2 Kommentare

In einem früheren Artikel hat The Good Food-Gründerin Nicole erklärt, worum es uns bei unserer Zahlmethode geht. Ihr wisst, alle Kund:innen bestimmen selbst, welcher Preis ihnen der Einkauf wert ist. Wie kommt das an, wie reagieren die Menschen darauf? Und, um ein wenig über den Tellerrand zu blicken: Was haben wissenschaftliche Studien zu Bezahlprinzipien wie unserem herausgefunden? Das erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema

Für die meisten ist ein Bezahlprinzip wie unseres erst einmal sehr ungewohnt und herausfordernd. Das belegt auch eine Studie amerikanischer Wissenschaftler:innen, die kürzlich im Journal of Marketing veröffentlicht wurde. Deutschlandfunk Nova hat die Studienergebnisse zusammengefasst:
„[Die] Studie hat gezeigt, zu viel Entscheidungsfreiheit beim Preis ist uns oft zu anstrengend. Die Konsequenz solcher ‚Zahl so viel, wie du willst‘-Konzepte: Es wurde eher nichts gekauft. Dass uns das zu anstrengend ist, kann auch am Sozialdruck liegen. Uns reibt die Frage auf, ob wir mit unserem Preis ‚richtig‘ liegen. Haben alle anderen viel mehr oder weniger gezahlt? Die Autor:innen der Marketingstudie empfehlen deshalb: Eine feste Zahl an Auswahlmöglichkeiten zu geben oder Richtwerte zu nennen, für welche Preise sich andere entschieden [haben].“

Unbequemlichkeit als Teil des Konzepts

Also erst einmal ist klar: Wir machen es unseren Kund:innen nicht leicht. Doch die Unbequemlichkeit ist gewollt, denn sie zwingt uns, darüber nachzudenken, was ein Preis eigentlich bedeutet. Was macht den Wert eines Lebensmittels aus? Ist es der Nutzen, den das Lebensmittel uns Menschen bringt – indem es uns ernährt und gesund erhält? Sind es die Arbeit und Ressourcen, die in den Anbau und die Produktion des Lebensmittels geflossen sind? Ist es der Marktpreis, also der Preis, den der Handel zu einem bestimmten Zeitpunkt dafür zu zahlen bereit ist?

Eindeutig: Aktuell gibt meistens die dritte Möglichkeit den Ausschlag. Die Kosten für Arbeit und Ressourcen fließen natürlich mit ein, aber häufig kann der Handel den Erzeugern Preise vorgeben – die teilweise so niedrig sind, dass letztere ihre Kosten kaum decken können. Das liegt vor allem daran, dass wenige große Handelskonzerne den Markt und damit die Preise dominieren. Viele Erzeuger (etwa Landwirte) sind darauf angewiesen, zu den Konditionen der Handelsriesen zu liefern, die dann ihrerseits die Lebensmittelpreise in den Keller treiben. Das Ergebnis: Lebensmittel sind in Deutschland im Schnitt zu billig, was oft auf Kosten von Qualität und Umwelt geht.

Erfahrungen mit Richtpreisen

Aus diesen Gründen möchten wir es unseren Kund:innen ein kleines bisschen unbequem machen, um das Thema „Wert von Lebensmitteln” wieder mehr ins Bewusstsein zu bringen. Dabei denken wir jedoch immer wieder darüber nach, ob und wie stark wir sie bei der Preisfindung unterstützen sollen. So haben wir vor ein paar Jahren zwei „Hilfsmittel“ eingeführt: Wir geben bei unserer MHD-Ware (Artikeln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum naht oder überschritten ist) auf einem kleinen Schild den Originalpreis zur Orientierung an. Für Getränke in Pfandflaschen geben wir einen Mindestpreis an. Das ist allein deshalb notwendig, weil wir selbst das Pfand an die Erzeuger zahlen, wenn wir Getränke von ihnen bekommen.

Eine Masterarbeit über unser Bezahlsystem

Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat Carolina Kassapova empirisch untersucht, wie sich diese Auszeichnungen auf das Kauf- und Zahlungsverhalten auswirkten. Dafür arbeitete sie einige Monate im Laden mit, führte Strichlisten und befragte Kund:innen nach ihren Erfahrungen.

Ihre statistischen Auswertungen ergaben, dass die Angabe von Originalpreisen dazu führte, dass Kund:innen tendenziell weniger bezahlten. Sie bewertet das so: „Bestehende Literatur und meine Analyse lassen darauf schließen, dass dies daran liegt, dass Kunden die Originalpreise als obere Preisgrenze sehen. Diese Wahrnehmung entsteht, da die Produkte nicht mehr im originalen, einwandfreien Zustand sind und die Kund:innen dadurch denken, dass sie nicht den Originalpreis wert sind, sogar wenn die Produkte im Grunde keine Makel vorweisen. Andere Experimente sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.“

Auch bringt der „Charity-Effect“ Kunden nicht dazu, mehr zu bezahlen bzw. den Originalpreis oder eventuell sogar mehr, da die Kunden das bloße Einkaufen im Laden schon als wohltätig genug empfinden, fand Carolina heraus. Es dominiert die Chance, Geld zu sparen. Manche Kund:innen nehmen nach dem Bezahlen noch weitere Artikel mit, da sie den Eindruck haben, „das ist ja noch drin in dem Preis, den ich gerade bezahlt habe“.

Der Mindestpreis bei den Pfandflaschen hingegen hatte laut Carolinas Beobachtung einen positiven Effekt auf die Zahlungsbereitschaft der Kund:innen, wenn sie nicht nur Getränke, sondern auch andere Produkte kauften. Denn dadurch wird insgesamt die Preisuntergrenze angehoben: „Die Kund:innen sind bereit, noch mehr als diesen Mindestpreis zu bezahlen, da sie ja nicht nur Getränke kaufen, der Einkauf demnach mehr wert ist.“

Wir entscheiden uns für eine Art Mittelweg

Was heißt das für uns? Sollten wir demnach statt der Originalpreise überall Mindestpreise angeben? Wir haben uns dagegen entschieden, auch wenn es bedeutet, dass wir möglicherweise weniger einnehmen. Denn die Wahlfreiheit unserer Kund:innen und die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem Thema ist uns sehr wichtig. Gleichzeitig möchten wir aber auch eine gewisse Unterstützung anbieten, deshalb die Originalpreisangabe. Sie macht es zudem etwas leichter für unsere Teammitglieder im Ladendienst, wenn sie zu angemessenen Preisen beraten sollen.

Diese Freiheit führt natürlich in einzelnen Fällen zu Missbrauch. Wir finden es in Ordnung, wenn Einzelne sehr wenig bezahlen, weil sie einfach wenig Geld haben. Große Mengen an Ware einzupacken und dann nur wenige Cent hinzulegen, empfinden wir jedoch als unangemessen, und darauf weisen wir in solchen Fällen auch hin.

Die allermeisten Kund:innen zahlen jedoch fair, nicht selten werden auch höhere Beträge gezahlt, um uns zu unterstützen. Das freut uns sehr, denn wir brauchen unsere Einnahmen, um unsere Ladenlokale, Transporte, Pfandvorauszahlungen und einige wenige Gehälter zu bezahlen. Kurz, um weitermachen zu können.

Außerdem: Unser großes ehrenamtliches Team investiert sehr viel Arbeit, um die Lebensmittel für alle verfügbar zu machen: Was alles dazu gehört, lest ihr in diesem Artikel. Auch das ist eine Wertschöpfung. Wir schaffen also mit unserem Engagement Werte, vor allem natürlich die Lebensmittelrettung und das Schaffen von Bewusstsein für das Thema Verschwendung. Ihr seid mit euren Einkäufen ein wichtiger Teil davon, und darüber freuen wir uns jeden Tag aufs Neue!

Wollt ihr euere Erfahrungen mit dem „Zahl, was es dir wert ist-Prinzip“ mit uns teilen? Dann schreibt uns doch in den Kommentaren!

Letzte Beiträge

Knusprig und cremig: Pastinaken aus dem Ofen

Knusprig und cremig: Pastinaken aus dem Ofen

Pastinaken werden jetzt im Winter geerntet. Auch bei The-Good-Food liegen sie häufig im Regal. Wenn ihr sie seht: greift zu! Pastinaken können super lecker sein, besonders wenn sie im Ofen gebacken wurden. Hiert lest ihr, wie es geht.

Unsere Rechtsform: gUG

Unsere Rechtsform: gUG

Wir werden öfter nach unserer Rechtsform gefragt. Antwort: The Good Food ist eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft (gUG). Im Artikel lest ihr, wie die gUG bei uns umgesetzt wird.